Mein Freund Ottokar will Influenzer werden. Er hat gelesen, damit werde man Erstens reich und Zweitens berühmt. Zunächst aber will er seine Ware verkaufen, am besten per Newsletter. Denn in seiner Scheune stapeln sich noch immer die Klopapierrollen bis zur Decke. Das Depot stammt noch aus dem ersten Lockdown, als wir alle der Meinung waren, wir würden den lieben langen Tag nichts anderes tun als schei…

Newsletter vom Ottokar

Die Sache ist die, sagt Ottokar, selbst Klopapier habe eine gewisse Lebensdauer. Mit der Zeit setze eine Art Verschei.. äh Verschleiss ein. Das heißt, es zieht Feuchtigkeit. Das Zeug muss also weg. Also doch am besten übers Internet verkaufen. Darum bastelt er seit vielen Nächten an seinem Onlineshop. Und er entwirft all diese digitalen Spielzeuge, die fürs Klopapiermarketing nötig sein sollen.

Onlinemarketing – ohne gehts nicht!

Natürlich sieht Ottokar sich heute Marketingfachmann. Deshalb legt er seinen Daumen gerne auf meine Wunde, die da ist, keine Ahnung vom Onlinemarketing zu haben. Obwohl man als Versicherungsmakler ohne Onlinemarketing heute etwa so modern ist wie eine Dampflok. Warum jagst Du keine Newsletter an deine Kunden raus? Das fragt er mich also.

Ich mag keine Newsletter

Ich mag die Dinger einfach nicht, murmele ich. Denn natürlich hab ich ein schlechtes Gewissen. Jedermann ist genervt von Newslettern, und ich ganz besonders. Und doch geht es angeblich nicht ohne. Aber meine Abneigung gegen diese moderne Form der Aufdringlichkeit ist zu groß. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, sage ich zu Ottokar, dass meine Kunden am Monatsende auf den Nägeln kauen, weil mein Newsletter verspätet erscheint. Vielleicht, wenn ich den selbst schreibe, er witzig und literarisch herausragend ist… Doch dazu fehlen mir Zeit und Muße. Moderne Newsletter sind für mich eben nur Massenware, die vorgekaute Inhalte den Lesern wieder und wieder vorwürgen.

Vertriebsdinosaurier

Ein Vertrieb der auf Newsletter verzichtet, ist zum scheitern verurteilt, wirft sich Ottokar in die Brust. Und für jemand, der sich mit der Internetkonkurrenz herumschlagen muss, sei ich sehr naiv, meint er.

Sagen wie lieber altmodisch, antworte ich.

Richtig, sagt er. Deshalb hältst du auch nichts von Videobotschaften.

Ja, antworte ich, denn ich bin ja kein Prediger der seine Gemeinde mit Glaubensbotschaften bei Laune halten muss. Wer wartet denn darauf, dass ich jeden Monatsersten mein stetig alterndes Gesicht in eine Kamera halte und belangloses Zeug labere? Die einzige wirkliche Neuigkeit die dabei herumkommt, ist die wachsende Fläche meiner Stirnglatze.

Aber Deine Kunden sind doch darauf gespannt, wichtige News zu erfahren. Zum Beispiel zum Thema Elementarversicherung! Ottokar schüttelt den Kopf. Du bist nicht nur altmodisch, du bist ein Dinosaurier.

Mag sein, lache ich. Und die haben auf der Erde Millionen Jahre gelebt. Länger, als die Menschheit je existieren wird. Und das ohne Newsletter zu lesen. Aber vielleicht war das der Grund ihres Aussterbens! Hätte sie doch nur jemand per Videobotschaft davor gewarnt, dass einst ein Meteorit die Erde treffen könnte!

Ich melke keine Kunden

Hand aufs Herz: Ich bin für meine Kunden da, wenn sie mich brauchen. Und in wichtigen Themen kontaktiere ich sie. Das wissen sie zu schätzen. Ansonsten lasse ich sie in Ruhe. Und auch das schätzen sie. Nennen Sie es von mir aus Vertriebsverkalkung, aber ich stehe dazu: Bei uns gibt´s keine Umsatzziele und ich „melke“ meine Kunden nicht Und genau so empfinde ich es, ich fühle mich gemolken, wenn ich nach einem Kauf plötzlich zum Werbeziel des Verkäufers geworden bin. Er bekommt den Hals nicht voll. Das aber ist nicht mein Problem!

Digitale Prostitution

Newsletter und Videobotschaften sind für mich vor allem eines: Digitale Prostitution! Die Dinger sind heute so personalisiert, dass sie den Empfänger glauben machen sollen, die Botschaft sei allein für ihn. Dabei bekommen tausende Andere das gleiche Menü vorgesetzt. Was wie persönliches Interesse am Menschen verkauft wird, ist nur billiger Beziehungskitt. Sie können Ihren Kindern tausend Euro Taschengeld im Monat zahlen. Wenn Sie sie nicht lieben, landen Sie am Ende doch im billigsten Pflegeheim.

Sag niemals nie

Man soll niemals nie sagen. Vielleicht zwingt mich der Lauf der Zeit dazu, die Sache auch anzugehen. Womöglich wollen Sie das eines Tages sogar? Wer weiß. Für den Moment jedoch liegt mir das fern. Auch wenn ich damit nicht zur vermeintlichen Vertriebselite gehöre.

Mein Freund Ottokar jedenfalls hat mir gestern einen persönlichen Newsletter geschickt. Klopapier im Sonderangebot. Dabei hat er mir letzte Woche 12 Rollen geschenkt. Ich könnte den Newsletter abbestellen. Doch zögere ich. Vielleicht legt er das als Unhöflichkeit aus? Und Höflichkeit, drauf lege ich ziemlich großen Wert. Bin ich damit also das perfekte Newsletter – Opfer?

Bleiben Sie uns gewogen, auch ohne Newsletter und Videobotschaften

Ihr

Olaf Misch